Oftmals stecken die Behandler sehr viel Arbeit und Mühe in den Aufbau und Erhalt des Hart- und Weichgewebes, die Auswahl des passenden Implantatdesigns und die perfekte Implantatposition. Dies sind sehr wichtige Therapieschritte, jedoch wird dabei oft der Arbeitsschritt vernachlässigt, den der Patient am besten beurteilen kann – die finale Restauration – „the perfect white“.

Um die perfekte Ästhetik zu erzielen und langfristig zu erhalten, ist ein perfekt abgestimmter Workflow zwischen Zahnärztin/-arzt und Zahntechniker/-in erforderlich.

In den vergangenen Ausgaben des Implantologie Journal haben wir unser Implantatkonzept nähergebracht. Das „Simpl(e)y perfect-Concept“ soll sich vor allem durch einen Hauptbestandteil von anderen Konzepten abheben: Keep it simple! Egal, ob wir über Augmentationstechniken für Hart- und Weichgewebe, die Auswahl des passenden Implantatdesigns oder die prothetischen Versorgungsmöglichkeiten sprechen, dieses Behandlungscredo steht immer im Vordergrund.

Im nachfolgenden Case Report geht es um „the perfect white“ und die Frage „Ist weniger manchmal mehr?“. Beschrieben wird eine prothetische Rehabilitation in der ästhetischen Zone und die beispielhafte Anwendung unseres vierteiligen Implantatkonzepts: „the perfect bone, screw, pink and white“.

 

Case Report

Die 76-jährige Patientin stellte sich in unserer Praxis bezüglich Schmerzen in der Oberkieferfront vor. Sie zeigte neben einer medikamentös eingestellten Hypertonie eine unauffällige allgemeinmedizinische Anamnese. In der speziellen zahnmedizinischen Untersuchung wurde als Risikofaktor eine bestehende Parodontitis festgestellt.

Klinisch zeigte die Patientin Schmerzen an Zahn 12. Radiologisch konnten eine deutliche Sekundärkaries und eine ausgeprägte apikale Läsion festgestellt werden. Die Restauration an Zahn 11 war ebenfalls insuffizient (Abb. 1 und 2).

Die Patientin äußerte den Wusch der Zahnentfernung mit anschließender prothetischer Versorgung. Nach Abwägung der prothetischen Möglichkeiten entschied sie sich für eine implantologische Versorgung im Sinne einer Sofortimplantation. Wir entschieden uns für nur ein Implantat in Regio 11. Der fehlende Zahn 12 sollte im Sinne einer Extensionsbrücke ersetzt werden. Durch das fortgeschrittene Alter der Patientin und die vorliegenden beeinflussenden Faktoren lag hier ein erhöhtes Risikoprofil vor. Durch unser praxis- und patientenorientiertes Konzept, welches sich besonders durch minimalinvasive Verfahren und die Verwendung des Wundheilungsbeschleunigers Hyaluronsäure auszeichnet, können auch solche Behandlungen sicher durchgeführt werden.

 

Implantation

Die nicht erhaltungswürdigen Zähne 11 und 12 wurden besonders atraumatisch entfernt, um den maximalen Knochen- und Weichgewebeerhalt zu ermöglichen (Abb. 3 und 4). Mittels einer vorgefertigten Orientierungsschiene wurde während der Implantatbettaufbereitung die spätere Implantatposition kontrolliert (Abb. 5). Es wurde ein Implantat mit dem Durchmesser 4,1 mm und der Länge 10 mm inseriert (Bluediamond, MegaGen; Abb. 6). Abbildung 7 zeigt die palatinale und subkrestale Implantatposition.

Durch das besondere Implantatdesign kann hier über die ausladenden Gewindeflanken eine sehr hohe Primärstabilität erreicht werden. Durch den gleichbleibenden Kerndurchmesser, jedoch größer werdenden Implantatdurchmesser steht hier der maximale Knochenerhalt im Vordergrund. Der BIC (Bone to Implant Contact) wurde mittels des sogenannten Mega-ISQ über einen SmartPeg bestimmt (Abb. 8). Hier konnte ein ISQ-Wert von 74 erzielt werden. Bei Werten von > 70 spricht man von einer hohen Primärstabilität und es kann eine Sofortbelastung bei Einzelzahnimplantaten durchgeführt werden.

Die sogenannte Jumping Distance (Raum zwischen Implantat und Restknochen) wurde mittels Sticky Bone aufgefüllt, ebenso wie die Extraktionsalveole von Zahn 12. Hierzu wurde ein porcines Knochenersatzmaterial mit einem langsamen Resorptionsprofil (SMARTGRAFT, REGEDENT) mit vernetzter Hyaluronsäure (hyaDENT BG, REGEDENT) gemischt, um eine präzisere Augementation und eine bessere Lagestabilität zu erzielen (Abb. 9 und 10).

Sowohl die Implantatposition als auch das Emergenzprofil wurden digital festgehalten, um somit das spätere festsitzende Provisorium anzufertigen. Tipp: Zuerst das Emergenzprofil scannen, dann die Implantatposition. Nach Entfernung des Healingabutments findet ein Kollaps des Weichgewebes statt und das Durchtrittsprofil des Weichgewebes verändert sich. Dieser Scan-Workflow verhindert, dass eine Diskrepanz des Emergenzprofils in den Datensatz aufgenommen wird (Abb. 11a und b).

Über ein Temporary Abutment wurde chairside ein individueller Gingivaformer hergestellt (Abb. 12). Dieser hat den großen Vorteil, dass sowohl das Weichgewebe optimal erhalten als auch das Augmentat im Sinne einer „Socket Seal-Technik“ geschützt wird (Abb. 13a und b). Da wir nur ein Implantat inseriert haben, konnten wir leider nicht die großen Vorzüge eines festsitzenden Provisoriums in Anspruch nehmen. Daher wurde die Patientin nach dem Eingriff vorerst mit einer herausnehmbaren Interimslösung versorgt (Abb. 14).

 

Provisorische Phase/Healing Phase

Nach einer Woche kann man die perfekte Wundheilung und den vorher angesprochenen Kollaps des Weichgewebes nach Entfernung des Healingabutments erkennen (Abb. 15). Zu diesem Zeitpunkt wurde ein individueller Gingivaformer aus hochpoliertem Zirkon eingesetzt (Abb. 16). Die Daten hierfür wurden während der Implantation gewonnen. Dieser hatte bereits die Ausdehnung der späteren Extentionsbrücke und es sollte bereits hierüber die Ponticausformung des Zahns 12 stattfinden.

Die weiteren Wochen verliefen komplikationslos, sodass nach zwölf Wochen das festsitzende Provisorium eingesetzt werden konnte (Abb. 17a). Bereits hier zeigt sich die durch den individuellen Gingivaformer ausgebildete Papillenform zwischen Zahn 11 und Pontic des Zahns 12 (Abb. 17b). Das Weichgewebe zeigte sich reizlos und das Emergenzprofil war bereits anatomisch ausgeformt (Abb. 18).

 

Finale Phase

Nach weiteren zwölf komplikationslosen Wochen konnten die letzten prothetischen Schritte zur Fertigstellung der Arbeit durch-geführt werden. Das Emergenzprofil wurde erneut gescannt und mit der Implantatposition gematcht. Durch den frühen Einfluss auf das Weichgewebe und die einzelnen prothetischen Schritte haben wir perfekte Weichgewebebedingungen schaffen können. Sowohl die Ausformung des Emergenzprofils als auch des Pontic konnten perfekt umgesetzt werden (Abb. 19 und 20). Abbildung 21 zeigt die ausgebildete Papillenstruktur zwischen dem Einzelimplantat 11 und dem Pontic des Zahns 12. Die finale Restauration konnte aufgrund der palatinalen Implantatposition okklusal verschraubt werden (Abb. 22a). Bei der Umsetzung der prothetischen Versorgung ist darauf zu achten, dass sich im Bereich des Emergenzprofils keine Verblend- bzw. Feldspatkeramik befindet. Stattdessen sollte hier ein hochpolierter Anteil der Restauration sein. In unserem Fall wurde im Bereich des Emergenzprofils als Material hochpoliertes Zirkon gewählt (Abb. 22b).

Abbildung 23 zeigt die Insertion der finalen Restauration und Abbildung 24 die klinische Situation nach Einsetzen der Extensionsbrücke. Die röntgenologische Kontrolle zeigte keinerlei Auffälligkeiten (Abb. 25). Bei der klinischen Verlaufskontrolle imponierten stabile und ästhetische Weichgewebeverhältnisse (Abb. 26).

 

Zusammenfassung

Die anfängliche Frage: „Ist weniger manchmal mehr?“ kann in unserem dargestellten Patientenfall ganz klar mit „Ja“ beantwortet werden. Hier konnte durch die Wahl einer Extensionsbrücke mit nur einem Implantatpfeiler die knöcherne und weichgewebige Ausgangssituation perfekt ausgenutzt und erhalten werden. Jede/-r implantologisch tätige Zahnärztin/-arzt weiß, wie schwer es sein kann, zwischen zwei Implantaten eine Interdentalpapille zu kreieren und wiederaufzubauen. Wir wählten in Rücksprache mit der Patientin und nach Abwägung aller Behandlungsoptionen den Weg mit nur einem Implantat. Wie dargestellt, kann mit den richtigen Materialien und dem richtigen Implantatkonzept ein perfektes funktionelles und ästhetisches Ergebnis erzielt werden: Keep it simple(y) perfect!