Die nichtchirurgische Behandlung von parodontalen und periimplantären Defekten durch mechanische Instrumentierung in Kombination mit einem Natriumhypochlorit-Reinigungsgel und der anschließenden Applikation einer vernetzten Hyaluronsäure in den gereinigten Wundraum stellt eine wenig invasive erste Therapieoption für schwere parodontale und periimplantäre Defekte im Allgemeinen dar.

 

Einleitung

Die Hauptursache für Parodontitis und für periimplantäre Erkrankungen ist die Akkumulation eines pathogenen Biofilmes in den Taschen um die Zähne bzw. die Implantate, was oft zu einer unkontrollierten Geweberesorption führt.

Der erste Schritt und zugleich Kernelement für eine erfolgreiche Entfernung des Biofilmes ist die subgingivale Instrumentierung der parodontalen bzw. periimplantären Tasche. In der klinischen Praxis können so bei leichten bis moderaten PA-Defekten sehr vorhersagbare Ergebnisse erzielt werden. Bei schweren parodontalen und bei Periimplantitisdefekten im Allgemeinen ist der Behandlungserfolg deutlich geringer. Insbesondere die Implantatoberfläche weist im Gegensatz zur Zahnwurzel sowohl eine für Instrumente nur schwer zugängliche Gewindestruktur als auch eine mikrostrukturierte Oberfläche auf, die durch die klassischen Handinstrumente nicht gereinigt werden kann. Deshalb führen die weniger invasiven nichtchirurgischen Therapien leider in den meisten Fällen zu keiner dauerhaften Verbesserung der lokalen Entzündung (Renvert 2015).

Dies kann, wenn überhaupt, nur durch invasive chirurgische Vorgehen mit Lappen-präparation und Reinigung der Zahn- bzw. Implantatoberfläche erzielt werden (Schmidlin 2012, Renvert 2009, Almohandes 2019).

Neben der Auflösung der lokalen Entzündungen wünschen wir uns für einen Langzeiterfolg der Behandlung im Optimalfall eine Regeneration des Knochendefektes und eine Wiederherstellung des parodontalen Ligamentes bzw. eine Reossifikation des Implantates (Almohandes 2019).

Stand heute hat sich für die Behandlung von periimplantären Defekten kein Behandlungsstandard herauskristallisiert. Im Regelfall erfolgt die Periimplantitistherapie durch eine mehrstufige Behandlungssequenz (Smeets 2014).

 

Reinigung und Dekontamination

In der erfolgreichen Entfernung des Biofilmes und des in der Tasche befindlichen infizierten Granulationsgewebes liegt das größte Problem. Bei einer nichtchirurgischen Vorgehensweise wird durch alleinige mechanische Instrumentierung keine vollständige Reinigung der Implantatoberfläche und des mit infiziertem Granulationsgewebe gefüllten periimplantären Defektes erzielt. Auch die Zugabe von chemischen Adjuvantien hat keinen signifikanten Einfluss (Koo 2019, Stavropoulos 2019, Mordini 2021).

Aus diesem Grund werden die besten Ergebnisse im Allgemeinen durch chirurgische Darstellung des Defektes und einer unter Sicht erfolgenden sorgfältigen, mehrstufigen Reinigung durch mechanische Instrumentierung realisiert (Heitz-Mayfield 2014, Schwarz 2015).

Wir verwenden adjuvant zur nichtchirurgischen Instrumentierung von parodontalen und periimplantären Defekten ein Reinigungsgel auf Basis von Natriumhypochlorit (NaOCl, PERISOLV, REGEDENT). Es besteht aus einer 0,95%igen NaOCl-Lösung, die vor Gebrauch mit einer Aminosäurelösung gepuffert wird.

Das Reinigungsgel entfernt effektiv Biofilm (Jurczyz 2015), sowohl auf Dentinals auch auf den rauen Implantatoberflächen (Bach 2016).

Ein weiterer Vorteil des Gels ist seine degranulierende Eigenschaft. Dadurch wird die Reinigung der infizierten Tasche und vor allem der komplexen Implantatoberfläche verbessert (Bach 2016).

Durch die spezielle Zusammensetzung wirkt PERISOLV® spezifisch auf degenerierte infizierte Gewebestrukturen. Das Gel ist gut verträglich und hat keine gewebereizenden Eigenschaften mehr, wie es von Hypochlorit alleine bekannt ist.

Bei der Behandlung von parodontalen und periimplantären Knochendefekten empfiehlt sich eine mehrfache Applikation des Gels während der mechanischen Instrumentierung. So kann die Reinigung der infizierten Tasche und insbesondere der Implantatoberfläche verbessert werden.

In der Parodontitisbehandlung wird durch die adjuvante Anwendung des Reinigungsgels bei der nichtchirurgischen Behandlung von Parodontaltaschen eine statistisch signifikante Verbesserung sämtlicher Messparameter (TST, CAL, BAS) erzielt (Iorio-Siciliano 2021).

Gleiches gilt bei der geschlossenen Behandlung von periimplantärer Mukositis (Iorio-Siciliano 2020). Die Inzidenz von Sondierungsblutungen (BAS) war nach einem Monat um 70 Prozent reduziert (gegenüber 53 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Gelapplikation). Leider konnte dieses vielversprechende Kurzzeitergebnis in beiden Gruppen nicht stabil gehalten werden. So zeigten sich nach sechs Monaten nur noch 45 Prozent der Implantate in der Gelgruppe und 32 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Entzündungszeichen.

Um eine Reinfektion der Tasche zu vermeiden, setzen wir nach der Instrumentierung spezielle Biologics ein. Wir möchten so eine schnellere Heilung bewirken und die Tasche „versiegeln“, um eine erneute Kontamination mit Biofilm zu verhindern.

 

Unterstützung der Wund- und Weichgewebeheilung mit vernetzter Hyaluronsäure

Hyaluronsäure (HA) beschleunigt sämtliche Heilungsprozesse, was insbesondere in kompromittierten Situationen wie bei parodontalen und periimplantären Defekten ausschlaggebend für einen Behandlungserfolg sein kann. HA kann den Wundbereich stabilisieren, da sie durch ihren starken „Klebeeffekt“ (1 g HA kann bis zu sechs Liter Wasser aufnehmen; Rajan 2013) nach Applikation sofort das Blut im Defektraum bindet. Insbesondere vernetzte Hyaluronsäure weist eine ausgeprägte bakteriostatische Wirkung auf und schützt so den Wundraum vor einer Rekolonialisierung durch Mikroorganismen (Carlson 2004, Zhu 2024).

Hyaluronsäure verbessert signifikant sämtliche Heilungsprozesse: Sie führt zu einer schnelleren Neoangiogenese post OP und verkürzt die Wundheilung (Yildirim 2017, King 1991). Darüber hinaus stimuliert HA eine echte parodontale Regeneration (Shirakata 2021) und beschleunigt sogar die Knochenregeneration (Alcantara 2018, Stiller 2014). Die Kombinationstherapie der adjuvanten Anwendung des Natriumhypochlorit-Reinigungsgels und der vernetzten Hyaluronsäure („CLEAN&SEAL“) zeigt überlegene Ergebnisse bei der Behandlung von parodontalen Taschen im Vergleich zur Instrumentierung alleine. Dies konnte sowohl beim Einsatz in der AIT (Ramanauskaite 2023) als auch in der UPT bei der Behandlung von tiefen residualen Parodontaltaschen gezeigt werden (Benyei 2024). Damit liegt die Übertragung des Konzeptes auf die nichtchirurgische Behandlung von periimplantären Defekten nahe.

 

Fallbeispiel

Der Patient stellte sich in unserer Praxis bezüglich Implantation und dem Wunsch nach Lückenschluss Regio 24 vor. Die Zahnentfernung mit zeitgleicher Augmentation lag laut Patientenangabe circa zwölf Monate zurück. Die Knochenqualität während der Implantation war sehr gut und es konnte ein Implantat ohne weitere augmentative Verfahren primärstabil inseriert werden (Abb. 1). Wir entschieden uns für eine transgingivale Einheilung, um bereits zu diesem Zeitpunkt das Weichgewebe auszuformen und dem Patienten einen weiteren chirurgischen Eingriff zu ersparen. Die initiale Wundheilung erfolgte ohne Besonderheiten. Im Rahmen der Weiterbehandlung in Kombination mit der Rückmeldung des Patienten bemerkten wir nach drei Monaten sowohl klinische als auch röntgenologische Probleme. Der Patient gab einen schlechten Geschmack und einen geschwollenen Zahnfleischbereich an. Klinisch konnten wir erhöhte Taschensondierungstiefe (TST) und eine positive Blutung auf Sondierung (BAS) feststellen (Abb. 2).

Abb.1: Röntgenologisches Bild nach Implantation.
Abb.2: Klinische Situation mit erhöhter TST.

Röntgenologisch imponierte ein starker Knochenabbau (Abb. 3). Gerade in der frühen Phase der Behandlung stellt uns dieser Befund vor große Probleme. Eine Möglichkeit wäre die Explantation mit erneutem Knochenaufbau, was für den Patienten wiederum weitere chirurgische Eingriffe, Zeit und womöglich weitere Kosten bedeutet. Eine andere Option ist es, das Implantat zu belassen und eine Augmentation des vorhandenen Defektes durchzuführen. Jedoch bedeutet auch dieser scheinbar „leichtere“ Weg für den Patienten einen weiteren chirurgischen Eingriff, und es besteht leider immer noch ein hohes Risiko, dass diese Augmentation in der entzündeten periimplantären Region scheitert.

Abb. 3: Initialer periimplantärer Knochenabbau.

Wir haben uns stattdessen für den oben beschriebenen minimalinvasiven und innovativen Behandlungsweg (CLEAN&SEAL) entschieden.

In nur einer Behandlungssitzung wurde, nach Entfernung des Gingivaformers, die Reinigungslösung (PERISOLV) appliziert (Abb. 4). Die Einwirkzeit und Applikation erfolgte anhand unseres Reinigungskonzeptes. Abbildung 5 zeigt, wie sich das Granulationsgewebe ablöst und die entzündeten Bereiche gereinigt werden. Das Granulationsgewebe kann nach der Anwendung sehr einfach mechanisch entfernt werden. Nach einer mehrfachen Applikation und ausgiebigen Wiederholung der Instrumentierung fanden wir einen gereinigten periimplantären Bereich vor (Abb. 6). Der Wundraum wurde mit einer vernetzen Hyaluronsäure (hyaDENT BG, REGEDENT) aufgefüllt und anschließendmit dem gereinigten Gingivaformer versiegelt (Abb. 7 und 8). Nach vier Monaten imponiert röntgenologisch ein komplett ausgeheilter Knochendefekt (Abb. 9). Klinisch zeigt sich eine ausgeheilte entzündungsfreie Weichgewebssituation samt reduzierten TST und Abwesenheit von BAS (Abb. 10).

Abb. 4: Anwendung der Reinigungslösung PERISOLV anhand des CLEAN&SEAL Konzeptes.
Abb. 5: Klinisches Bild nach Applikation von PERISOLV/Aufl ösung und Ablösung des Granulationsgewebes.
Abb. 6: Klinische Situation nach Reinigung des Defektes und Entfernung des Granulationsgewebes.
Abb. 7: Applikation der Hyaluronsäure hyaDENT BG zur Stabilisation der periimplantären Gewebe.
Abb. 8: Wiedereinsetzen des Gingivaformers und erneute xHyA-Applikation.
Abb. 9: Röntgenologische Kontrolle nach vier Monaten/komplette Ausheilung des periimplantären Defektes
Abb. 10
Abb. 11: Klinisch ausgeheilte und entzündungsfreie Situation/keine erhöhte TST.

Durch das minimalinvasive und innovative Behandlungskonzept konnten eine erneute chirurgische Intervention und die mögliche Explantation vermieden werden. Das Implantat konnte gerettet und das periimplantäre Knochenniveau durch eine nichtchirurgische Periimplantitistherapie wieder komplett hergestellt werden.